Entdeckungsreisen

Streik in Stuttgart

Nun habe ich mich entschlossen, doch mal über den „Streik“ und die Protestaktionen gegen Studiengebühren in Stuttgart zu bloggen. Das hatte ich nun schon länger vor.

Der Fokus soll dabei nicht der Protest selbst sein, sondern das Gebaren der Organisatoren, der sogenannten „Streikzentrale“. Insbesondere warum ich ihnen nicht nur nicht traue, sondern ganz massiv mißtraue.

Also eine rein subjektive Sicht. Es mag natürlich sein, daß die einzelnen Organisatoren sich in ihren Ansichten und ihrem Handeln voneinander unterschieden. Ich werfe sie dennoch alle in einem Topf, weil sich mir das in den vergangenen Monaten eben so dargestellt hat: „die von der Streikzentrale und dem AK Bildung“.

Einiges habe ich selbst beobachtet und erlebt, anderes nicht. Bei letzterem stütze ich mich primär auf Mails, die über den Fachschafts- oder den FaVeVe-Verteiler gelaufen sind. Ich halte die Mails und ihre Schreiber, auf die ich mich stütze, für zuverlässig und korrekt. Wenn jemand (sachlich!) widersprechen möchte, möge er dies in den Kommentaren tun; gegebenenfalls update ich dann auch den Hauptartikel.

Dieser Eintrag wird ziemlich länglich werden, zumal ich für die Auswärtigen auch ein wenig zu den Strukturen der Studentenschaft in Stuttgart schreiben muß.

Diesen etwas langweiligen, aber zum Verständnis notwendigen, Brocken packe ich dann gleich an den Anfang:

In Baden-Württemberg gibt es qua Gesetz keine Verfaßte Studierendenschaft. Es gibt einen Allgemeinen Studierendenausschuß AStA, der sich aber nicht politisch äußern und eigentlich nur um soziale und musische Belange kümmern darf.

Darum gibt es eine „Parallelstruktur“, die Fachschaftsvertreterversammlung FaVeVe, die so etwas ist wie der u-asta anderswo. Die FaVeVe hat eine Satzung. Besonders interessant darin ist 6.:

Die UNI-VOLLVERSAMMLUNG (Uni-VV) ist beschlußfähig, wenn mindestens fünf Prozent der Studierenden anwesend sind. Sie wird mindestens einmal jährlich durch die FaVeVe einberufen und muß vierzehn Tage vorher angekündigt werden. Auf schriftlichen Antrag von mindestens hundert Studierenden muß eine außerordentliche Uni-VV einberufen werden. Die Beschlüsse der Uni-VV sind bindend für die FaVeVe. Alle Vollversammlungen sind zu protokollieren.

Dazu aber später nochmal.

Die FaVeVe wiederum hat Arbeitskreise („AKs“) wie den AK Bildung.

Nun lief am 28. April eine Mail über die FaVeVe-Mailingliste: streikzentrale@gmail.com schrieb, daß auf einer Vollversammlung eine Resolution beschlossen worden sei, in der zum Vorlesungsboykott aufgerufen wird.

Ferner seien mehrere Arbeitskreise gebildet worden: Streikzentrale, Öffentlichkeit, Transparente, Inhalt, Aktion, Streikposten und Party.

Am 30. April schrieb ich der Streikzentrale eine Mail. Auszug:

Am 28.4. ging an alle-fsen eine Mail von euch, in der von einer „Vorlesungsblockade“ die Rede war („Vorlesungsblockade, Schneeballsystem, Leute gewinnen, Diskutieren & Informieren“).

Wie hängt ihr eigentlich mit dem AK-Bildung der FaVeVe zusammen?

Was genau versteht ihr unter „Blockade“? Ich würde darunter verstehen, daß sich Streikposten vor einigen Hörsälen plazieren, die die Studenten davon abbringen sollen, die Vorlesung zu besuchen. Richtig?

Ist das rein verbal („hey, wir streiken, geh da nicht rein“) angedacht, oder ist eine tatsächliche Blockade (Türen versperren, Studenten zurückhalten) geplant?

Und dann eine fast gleichlautende Mail an den AK Bildung. Dieser antwortete:

Somit ist die Streikzentrale ein Organ der Vollversammlung und nicht des AK Bildung.

Aha. Deswegen fand sich auch „Wir haben eine Emailadresse für diesen Zweck eingerichtet, Ihr erreicht uns ab sofort im ZFB unter streikzentrale [at] gmail.com.“ auf der Webseite des AK Bildung.

Sehr schön fand ich auch, daß der AK Bildung das Material der Streikzentrale direkt als Anhang mitschickte (die Resolution, eine Pressemitteilung und eine Mitteilung zu einer Podiumsdiskussion mit dem Wissenschaftsminister). Alles strikt getrennt eben…

Zum Thema, wie die „Blockaden“ aussehen sollten, antwortete man einfach nicht. Nach mehrfacher Nachfrage konnte man sich zu der weltbewegenden Information hinreißen lassen, man sei gegen Studiengebühren. Aha, wer hätte es gedacht?

Die Streikzentrale antwortete unter völliger Nichtbeachtung der gestellten Fragen.

Einen anderen Fachschaftler interessierte das Thema auch und so rief er im Zentralen Fachschaftsbüro an. Dort meldete sich sein Gegenüber mit „Streikzentrale“, und auf den Hinweis hin, daß er mit dem Fachschaftsbüro telefonieren wolle, hieß es, er sei schon richtig verbunden.

Streikzentrale und FaVeVe (in der Ausprägung „AK Bildung“) haben nichts miteinander zu tun?

Nochmal zurück zu der Vollversammlung, wo die Streikresolution beschlossen worden ist:

Wir erinnern uns an die FaVeVe-Satzung? Zur Beschlußfähigkeit benötigt man fünf Prozent der Studierenden. Die Uni hat knapp 22000 Studierende, fünf Prozent davon wären dann etwa 1100.

Ein anderer Fachschaftler war dabei und schilderte, daß nie im Leben tausend Studierende anwesend waren.

Seine Schätzungskünste kann man nun anzweifeln, aber nachdem bei der Streikposteneinweisung ein Streikzentrale-Mensch ganz offen zugab, daß Beschlußfähigkeit nicht erreicht worden war („das wissen die Studenten doch eh nicht“), betrachte ich das als gesichert.

Irgendwann äußerte sich dann auch der AK Bildung in einer Mail an alle Fachschaften beziehungsweise die FaVeVe und erklärte dort:

Der AK Bildung, als hochschulpolitisches Organ der FaVeVe, hat alle Vorbereitungen getroffen, die zur VV am letzten Donnerstag geführt hatten.

Weiterhin hat der AK den Grundstein für die kommende Protestwoche gelegt.

Seit der Spontandemo zum Landtag, hat sich die VV nun selbstständig organisiert und auf Grundlage der Strukturen der FaVeVe und des AK Bildung sehr konstruktiv gearbeitet und den Protest vorbereitet. Dazu wurden verschiedene weitere AKs eingerichtet und eine „Streikzentrale“ im ZFB etabliert. Diese Aktionen laufen mit der Unterstützung des AK Bildung, sind jedoch keine direkten Organe des AK Bildung.

Auf gut Deutsch: Wir, der AK Bildung, geben Räume, Finanzen und andere Ressourcen an die Streikzentrale, übernehmen jedoch keine Verantwortung.

Wie kommts? Insbesondere, wo AK Bildung und Streikzentrale sich doch personell stark überschneiden, gerne mal Materialien des anderen verteilen und offenbar auch, was telefonische Erreichbarkeit angeht, praktisch identisch sind?

Meine Antwort (und die der Mehrheit der Fachschaft Informatik, die versucht hatte, in der FaVeVe gegenzusteuern):

Man möchte zwar die Ressourcen gerne nutzen, sich aber jeglicher Kontrolle (nämlich durch die FaVeVe) entziehen.

Und daß der AK Bildung sich gerne mal wie der Elefant im Porzellanladen aufführt, zeigt auch eine Episode vom August:

Das neue Internationale Zentrum wurde unter Anwesenheit der Presse eingeweiht . Das wurde zu Protesten genutzt. So weit, so gut.

Jedoch hat der AK Bildung sich unter falschen Behauptungen dort ein Mikro ausgeliehen. Mit FaVeVe-Stempel.

Der Zuständige hat damit gemerkt, wie „gefährlich“ die Materialausgabe für ihn ist (er darf nur zu Forschung und Lehre herausgeben) und ist dann, Berichten eines Fachschaftlers zufolge, Fachschaften gegenüber sehr mißtrauisch geworden und verlangt nun stets Unterschriften von Dekan oder zumindest Institutsleiter.

Verständlich, letztendlich ist es sein Kopf und sein Arbeitsplatz. Dumm nur, daß er auch für Räume zuständig ist, und diverse Partys und Erstsemesteraktionen eventuell nicht immer ganz den Buchstaben der Brandschutzbestimmungen entsprochen haben, so daß dort Schwierigkeiten befürchtet worden sind.

Wie das nun, ein paar Monate später, in der Praxis aussieht, weiß ich nicht. Dazu bin ich zu wenig aktiv.

Die Bannmeile des Landtags ist im Laufe der Demos natürlich auch verletzt worden. Man findet das allerdings völlig normal und akzeptabel. Und wundert sich, wenn ein Brief von der Polizei kommt.

Über die Bannmeilenregelung kann man ja sicherlich diskutieren; letztendlich hat sie aber einen Grund. Es bringt dem Protest auch nichts wesentliches, wenn man statt auf der Königstraße ein paar hundert Meter weiter demonstriert. Da ging es nur um Provokation, und daß man sich für rechtliche Gegebenheiten nicht weiter interessiert, hat man ja bereits bewiesen gehabt.

Mein Fazit:

Wenn jemand seine Strukturen und Zugehörigkeit derart verschleiert, rechtswidrige Aktionen nicht nur plant und durchführt, sondern auch noch Leute dazu anstiftet und über die Rechtswidrigkeit bewußt im Dunkeln läßt, hauptsächlich aus irgendeinem „Spät-68er-Feeling“ heraus auf den Putz haut, mindestens nahe an der Untreue agiert und außerdem jeden, der nicht stramm auf Kurs ist, anmacht, dann weiß ich, was ich von der Streikzentrale und dem AK Bildung halte:

Abstand.

#Recht #Studium