Entdeckungsreisen

Gutachterstil in Hagen

Ges­tern war ich in Hagen und habe an der Ver­an­stal­tung „Gut­ach­ter­stil“ teilgenommen.

Kur­zes Fazit: Super wars!

Eine echte inhalt­li­che Zusam­men­fas­sung kann ich natür­lich nicht bie­ten, aber ich dachte, ich ver­liere trotz­dem ein paar Worte.

Eine Video­auf­zeich­nung war ange­dacht, gab es aber nicht. Der Fach­schafts­ver­tre­ter, der das ganze auch klasse orga­ni­siert hat (samt Mit­tag­es­sen und für die, die frü­her da waren, offen­bar auch Früh­stück), hatte die Kamera bereits auf­ge­baut und dann noch­mal alle Anwe­sen­den gefragt, ob sie Beden­ken haben. Und als sich nie­mand ganz kon­kret dage­gen äußern wollte, hat er beschlos­sen, daß es aber genug Unbe­ha­gen bei dem ein oder ande­ren Teil­neh­mer gab, um die Kamera wie­der abzubauen.

Ich hätte nichts gegen die Auf­zeich­nung gehabt, aber ich fand gut, wie er auch die nicht durch direk­tes „Bau das sofort ab!“ aus­ge­drück­ten Vor­be­halte ernst­ge­nom­men hat.

Dr. Kreße vom Lehr­stuhl Wacker­b­arth war aus­ge­spro­chen sym­pa­thisch und hat sich auch den ein oder ande­ren Scherz erlaubt. Man merkte, daß er Erfah­rung mit der Lei­tung sol­cher Grup­pen hat.

Kon­kret hat er mit uns von zehn Uhr bis halb sechs acht Fälle ziem­lich aus­führ­lich gelöst und dabei viele kon­krete Hin­weise gegeben.

Ich weiß jeden­falls schon direkt ein oder zwei Dinge, die ich bis­her in allen EAs nicht ganz rich­tig gemacht habe. Zum Bei­spiel dicht am Gesetz blei­ben und die Ober­sätze aus den Rechts­fol­gen zu bil­den. Also nicht zu schrei­ben „Anspruch des K gegen V könnte ver­jährt sein“, son­dern eher „V dürfte nicht nach § 214 I BGB berech­tigt sein, die Nach­er­fül­lung gegen­über K zu ver­wei­gern“. Hof­fent­lich habe ich das jetzt rich­tig wiedergegeben…

Wir waren größ­ten­teils im Alten Tes­ta­ment unter­wegs, da die Mehr­zahl der Teil­neh­mer nie­de­ren Semes­ters waren. Und es gab ein paar gar nied­li­che Fälle (Anspruch gegen ein Medium auf Lie­bes­zau­ber gegen die Ange­be­tete — ist das ein Werk– oder ein Dienstvertrag…).

Man sieht, es waren auch ein oder zwei Schuld­rechts­fälle dabei, da hat Herr Kreße die Grund­la­gen des Schuld­rechts, die für den Fall rele­vant waren, aber rasch (für mich eigent­lich etwas zu rasch, aber fürs Gesamt­ver­ständ­nis noch aus­rei­chend) wie­der­holt, bevor er ein­ge­stie­gen ist.

Die ganze Ver­an­stal­tung war durch­aus argu­men­ta­tiv und kom­mu­ni­ka­tiv geprägt. Er hat sich sogar in einem Fall von uns über­zeu­gen las­sen und erklärt, daß er seine Klau­sur– oder EA-Musterlösung in dem einen Punkt nun nicht mehr rich­tig findet.

Auch ein wenig EA-Taktik und Klau­sur­tak­tik war dabei („das ist rechts­theo­re­tisch schon gut ver­tret­bar, aber gehen Sie doch auf Num­mer sicher und schrei­ben Sie in der Klau­sur lie­ber XYZ“, „Dann wäre der Fall hier vor­bei. Das ist schlecht.“).

Ein paar Dinge wür­den von ande­ren Dozen­ten sicher ganz anders gese­hen („Ich bin kein Freund von Glie­de­run­gen“), aber das stört ja nicht. Kann man ja selbst aus­pro­bie­ren, wie es einem selbst liegt. Fand ich aber sehr erfri­schend, ansons­ten hört man ja immer, wie unglaub­lich wich­tig die Din­ger sind.

Abschlie­ßend glaube ich als zen­trale Bot­schaft von Herrn Kreße mit­ge­nom­men zu haben: Eng am Gesetz arbeiten.

Häu­fi­ger Feh­ler in punkto Gut­ach­ten­stil sei, daß Stu­die­rende einen Aspekt des Sach­ver­halts als pro­ble­ma­tisch erken­nen, einen Ober­satz dazu bil­den und das Ding dann „lösen“. Ohne daß es einen Grund gibt, warum das nun gerade jetzt und an die­ser Stelle geschrie­ben wird. Oft gehöre das zwar ins Gut­ach­ten, aber ganz woan­ders hin.

„Wenn ich eine Klau­sur kor­ri­giere, will ich nicht den­ken“. Der Bear­bei­ter soll den Weg genau auf­zei­gen, den er nimmt.

Also: Ober­satz mit Blick auf die Rechts­folge bil­den. Und dann am Gesetz ent­lang alles abar­bei­ten. Und eben nicht eine eigene Struk­tur jen­seits der kon­kre­ten Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen der jewei­li­gen Nor­men erfinden.

#Recht #Studium