Entdeckungsreisen

Eine Woche mit dem iPad

Ich hatte mit einem Arbeitskollegen während der iPad-Vorstellungs-Keynote die Liveberichterstattung verfolgt. Und ich hatte mehr erwartet. Etwas aufgeregt wurde ich, als Steve Jobs iBooks vorstellte, aber insgesamt? Keine Kamera, kein USB, keine sonstigen relevanten Schnittstellen, keine Erweiterbarkeit, zunächst kein GPS oder 3G. Okay, der Preis war wirklich fair. Aber andere Hersteller hatten ja auch schon den Markteinstieg angekündigt.

Ich selbst bin kein Apfeljünger. Es hat mich in den letzten Jahren ab und an mal gereizt, ein Apple-Gerät zu kaufen, aber eigentlich hat mich immer der Preis abgeschreckt. Dann lieber einen PC. Und da die Kosten bei T-Mobile so unverschämt sind, auf gar keinen Fall ein iPhone.

Aber nun bot sich eine günstige Gelegenheit, mir aus den Vereinigten Staaten einen iPad mitbringen zu lassen, und die Aufregung war wieder da: Die vielen Apps. Die butterweiche Touchbedienung (was bei meinem Smartphone wesentlich mühsamer ist und praktisch nur mit dem Fingernagel einigermaßen brauchbar geht). Elektronische Bücher, speziell auch diverse farbige PDFs, die auf meiner Festplatte lagern, auf einem hinreichend großen Bildschirm lesen zu können. Und ja, auch das Early-Adopter-Sein.

Da war ich dann auch bereit, daüber hinwegzusehen, daß Apple böse ist. Wir leben in Zeiten, in denen man seine Seele entweder an Apple, an Google oder an Microsoft verkauft. Dann splitte ich meine Seele doch lieber und gebe jedem nur ein kleines Stückchen…

Und vergangenes Wochenende konnte ich ihn endlich auspacken. Die Verpackung wirklich sehr stylisch, und darin dann “mein Schatz”. Leider keine Bedienungsanleitung, nur ein kleines Blättchen, um die wenigen Hardware-Knöpfchen und -Schalter zu zeigen. Die Bedienungsanleitung gibts im Netz, sie ist als Lesezeichen im Webbrowser Safari voreingestellt. Und sie ist ebenfalls eher mager. Aber zumindest das allerwichtigste verrät sie dann doch.

Das iPad stellt sich allerdings tot, solange es nicht seine Taufe in Form einer Verbindung zu iTunes erhalten hat. Schön dabei ist, daß das Gerät an meinem (deutschen) iTunes-Account direkt erkannt hat, daß es sich auf die deutsche Sprache und für Deutschland passende Vorgaben einstellen soll. Weniger schön ist, daß man mit deutschem iTunes-Account an diverse Apps nicht herankommt. Beispielsweise den ABC-Player, der Serien wie “Grey’s Anatomy” streamt, die Appleschen iWorks-auf-iPad-Tools oder — am schlimmsten — iBooks. Letztere kommen dann aber sicherlich zum offiziellen Deutschlandstart.

Erstaunlicherweise kam das Gerät mit randvollem Akku, was auch gut war, da ich einen US-auf-D-Reiseadapter für Strom erst beschaffen mußte. Die Steckaufsätze von iPod-Netzteilen passen wohl auch, aber 15 Euro? Das mußte dann nicht unbedingt sein. Übrigens ist das iPad-Netzteil deutlich stärker als iPod-Netzteile. Weswegen Laden per USB auch nicht ging. Apple zieht da mehr Strom als die USB-Spezifikation erlaubt, in den neuen MacBooks liefern die USB-Ports auch entsprechend viel Saft, ein paar PCs mit entsprechend leistungsfähigen USB-Ports soll es auch geben.

Das Gerät hat nur einen Lautsprecher, rechts unten, so daß der Ton immer asymmetrisch von irgendeiner Seite kommt, egal wie man das iPad hält. Für Spiele und Youtube-Videos hat mich das überhaupt nicht gestört, Musik möchte ich nicht über den Lautsprecher hören (die liegt ganz gut auf meinem Smartphone, Filme habe ich darauf noch nicht angeschaut. Zur Not kann man natürlich einen Kopfhörer anschließen.

Weil meine Musik nicht aufs iPad muß, reicht mir das ganz kleine Modell auch dicke. Und an den noch nicht verfügbaren 3G-Varianten wäre das A-GPS interessant, aber sicherlich nicht den happigen Aufpreis wert. Ansonsten finde ich 3G fürs iPad überbewertet, denn dann bräuchte man neben der SIM-Karte im Handy eine zweite SIM-Karte (gegebenenfalls mit getrenntem Vertrag oder Prepaid-Tarif), noch dazu im Micro-SIM-Format. Ich habe mir für mein Handy Joikuspot gekauft und kann so per WLAN übers Handy ins Netz, wenn ich denn mal möchte.

Was fällt noch am Handling auf? Der Touchscreen ist genauso wunderbar wie beim iPod touch, alles reagiert flink. Ich war eben auf dem Balkon, ohne direkte Sonneneinstrahlung, und das spiegelnde Display war brauchbar, aber zuweilen etwas anstrengend. Wer im Freien viel lesen will, sollte doch eher zu einem E-Ink-Reader greifen, beispielsweise zum Kindle. Auf dem Bildschirm bildet sich schnell eine unansehnliche, ja, man muß es wohl als “Fettschicht” bezeichnen. Aber so ist das eben, wenn man den Bildschirm anfaßt. Immerhin kann man den Bildschirm mittels eines Mikrofasertuches wieder ansehnlich bekommen.

Die Rückseite empfinde ich als viel angenehmer als die Rückseite des iPod touch. Wo dieser eine glänzende, extrem glatte Rückseite hat, die mir immer so ein leicht schmieriges Gefühl vermittelt hat, hat das iPad eine matte, leicht gewölbte und im Regelfall auch sehr angenehm kühle Rückseite.

Der Akku ist, wie allenorts berichtet, wirklich ein Langläufer. Ich habe ihn noch nicht leerwerden lassen, sondern zwischendrin immer wieder mal geladen, aber stundenlanges Videogucken (und erst recht Websurfen) scheint problemlos möglich zu sein.

Soviel zur Hardware. Die Software ist aber auch der spannendere Teil.

Zuallererst: Surfen macht mit dem iPad wirklich Spaß. Safari dürfte gerne noch ein klein wenig schneller sein, aber auf die Inhaltsspalte einer typischen Webseite durch eine simple Zweifingerbewegung hereinzuzoomen und diese Spalte dann groß und wirklich “zum Greifen nah” vor sich zu haben, ist schon eine Erfahrung für sich.

Safari macht es einem aber auch nicht immer leicht. Zum Beispiel habe ich noch keinen Weg gefunden, das Delicious-Bookmarklet in die Lesezeichenleiste zu bringen. Einfaches Ziehen geht nicht (warum eigentlich nicht?), und den Javascript-Code abschreiben will ich natürlich auch nicht.

Außerdem unterstützt Typekit das iPad und dessen Safari leider auch noch nicht. Wo ich auf diesen Webseiten doch extra eine Nicht-Standard-Schrift ausgesucht habe.

Die Bedienung ist allgemein recht intuitiv, allerdings muß man als Nicht-Apple-Vorbelasteter zunächst ein wenig rätseln, was die diversen Icons und Buttons wohl zu bedeuten haben. Grundsätzlich gibt es in den Apps sehr wenige davon; wer ein Einstellungsfreak ist und jedes Detail beeinflussen möchte, wird mit Apple wohl nicht ganz glücklich werden.

Die Copy-und-Paste-Funktionen sind leider auch nicht so ganz das Gelbe vom Ei, so kann man keine frei wählbaren Textabschnitte markieren und kopieren, nur ganze Wörter oder gleich alles. Die letzten Buchstaben eines Wortes samt Leerzeichen und den ersten Buchstaben des nächsten Wortes scheint gar man gar nicht markieren zu können. Ein Ziehen über das Wort bringt eine Lupe zur Feinpositionierung, was sehr sinnvoll ist, aber zuweilen auch mal unerklärlich schnell über die gewünschte Stelle drüberweghuscht.

Die Bildschirmtastatur ist unglaublich gut. Die Feinheiten wie “über das a nach oben wischen, um ein ä zu erhalten” lernt man schnell zu schätzen. Natürlich kann sie einer “echten” Tastatur nicht das Wasser reichen, da fehlt das haptische Feedback (Force-Feedback, anyone?).

Out-of-the-Box fehlt doch einiges, was man dann schnell per App nachrüsten will: Ein RSS-Feedreader beispielsweise. Ein simpler Taschenrechner scheint seltsamerweise auch nicht dabei zu sein. Zum Thema Feedreader kann man wohl sagen, daß es (noch) keinen kostenlosen brauchbaren gibt. Viele der RSS-Reader im App-Store, insbesondere die kostenlosen, scheinen reine Google-Reader-Aufsätze zu sein. Ich habe mich jetzt für Newsrack entschieden, das war also meine erste echt gekaufte App. Newsrack ist ganz okay, aber nicht genial.

Die vielgelobte Benutzerfreundlichkeit und Einfachheit von Apple konnte ich bei iTunes nicht so vollständig erkennen. Manches ist doch sehr unbequem gelöst. Im App-Store kann man nur eine Ordnungsebene hinabsteigen (“Produktivität”, “Finanzen” etc.), eine weitere Klassifikation in tiefere Ebenen scheint leider nicht vorhanden. Im App-Store bewegt man sich einfach nur durch Suchen nach Begriffen. Das Google-Prinzip eben.

Auch das erste Synchronisieren am PC heruntergeladener Apps gestaltete sich nerviger als erwartet. Man muß dies derzeit per PC tun, da das App-Store-App auf dem iPad selbst nur lakonisch mitteilt, der iPad sei in meinem Land nicht verfügbar.

Also viele Dutzend Apps zum Antesten geladen, das iPad angeschlossen und auf “Synchronisieren” geklickt. Führt zu einer Fehlermeldung, der PC sei nicht aktiviert. Man muß den PC erst freischalten, die Option findet man dann im Menü. Nur sind danach bei allen Apps die Häkchen weg, man muß alle Apps per Hand anwählen und das Häkchen setzen. Ein “Select All” oder dergleichen gibts nicht. Das ist etwas, das sich durch iTunes zu ziehen scheint: das Auswählen von einzelnen Elementen ist ein Krampf. Musik synchronisieren? Am besten per Wiedergabeliste, die man für diesen Zweck anlegt. Man kann zwar auch Künstler anwählen, die dann hochgeladen werden, aber eben nur Künstler mit allen ihren Liedern. Keine Auswahl von Alben oder gar einzelnen Liedern.

iTunes erlaubt, am PC die Homescreens anzupassen, also die App-Icons zu verschieben. Das wird aber leider dann nicht wirklich zuverlässig im iPad nachgezogen. Auch warf iTunes eine Zeitlang gerne die beiden zusätzlichen Apps, die ich im Dock untergebracht hatte, wieder aus dem Dock heraus, sobald ich das iPad synchronisierte. Mittlerweile respektiert iTunes aber glücklicherweise mein Dock.

Auch sortiert mir iTunes manche Videos unverständlicherweise unter “Musikvideos” ein. Vorträge von Hans Rosling zum Beispiel. An der Stelle: “iTunes U” ist eine wahre Fundgrube an interessanten Videos. Wenn ich jetzt in Videos vorspulen könnte, indem ich einfach im Fortschrittsbalken an die gewünschte Stelle drücke, wäre ich vollends glücklich. Leider muß man den Balken ziehen, was als User-Interface etwas unglücklich ist, weil man so erst den kleinen Balken treffen muß.

Multitasking fehlt mir durchaus ein wenig, allerdings wird eine stark abgespeckte Variante davon ja mit iPhone OS 4 kommen. Und bisher scheint es mir auch so, als würde diese abgespeckte Variante wirklich reichen. Aber das ist Zukunftsmusik.

Die vorinstallierten Apps sind streckenweise doch sehr “minderbemittelt”. Die Kontaktverwaltung und der Kalender tun das nötigste, was man von ihnen erwartet, aber auch kein Stück mehr. Der Kalender fühlt sich wirklich genau wie ein Papierkalender an, was mir doch etwas mager scheint. Und warum ich bei meinen Kontakten überall Geburtstage eintrage, die dann aber nicht in den Kalender übernehmen kann, um daran erinnert zu werden, möge mir bitte mal ein Apple-Jünger erklären. Ich versteh das einfach nicht.

Die Kontaktverwaltung läßt sich mit Windows Kontakte synchronisieren, was mir sehr gut paßt, da mein Nokia-Handy ebenfalls damit synchronisiert.

Kommen wir zum Lesen, in meinem Fall ein paar O’Reilly-E-Books im EPUB- oder PDF-Format und viele PDFs, die auf meiner Festplatte lagern.

EPUBs kann man direkt vergessen und muß sie mühsam (zum Beispiel mit Calibre) in PDFs umwandeln. Auch der App-Store scheint nichts bereitzuhalten. Noch. Apples iBooks kann ja wohl EPUB lesen, allein, als Deutscher kriege ich iBooks erst im Mai. Hoffentlich. Damit ist das Synchronisieren von Büchern in iTunes natürlich witzlos. Stanza könnte zwar auch EPUBs lesen, ist aber fürs iPhone, also im kleinen Format.

Überhaupt liegen viele interessante Apps noch nicht als iPad-taugliche Version vor. Und wenn sie vorliegen, kann man Pech haben, und es gibt entweder nur eine abgespeckte Variante, die dafür kostenlos. Oder sie sind gleich deutlich teurer als die iPhone-Variante. Es wird spannend zu sehen, wie sich die Preise einpendeln werden.

Also PDFs. Es gibt Unmengen von PDF-Readern im App-Store (wiederum: nichts von Haus aus installiert, was PDF lesen könnte — ohne das PDF im Web abzulegen oder sich selbst zuzumailen). Kein Wunder, die PDF-Rendering-Komponente dürfte jeweils von Apple kommen, die Qualität also gleichbleibend gut sein. Die Apps konkurrieren also in den Bereichen User-Interface und Zusatzfeatures.

GoodReader ist ziemlich günstig zu haben und ich finde es verdammt gut. Man muß nur erstmal die Datei-Synchronisations-Funktion in iTunes finden (im Reiter “Apps” runterscrollen). Dabei bekommt man direkt deutlich vor Augen geführt, daß es keine Ordner und kein sichtbares Dateisystem gibt. Wenn ich ein PDF in iTunes an GoodReader schicke, dann sieht nur GoodReader diese Datei.

O’Reilly bietet übrigens eine ganze Menge ihrer Bücher als App an. Zu einem fantastischen Preis: meistens vier, manchmal fünf Euro. Regulär kosten deren E-Books auf der Webseite etwa 35 bis 40 Euro. Dafür bekommt man allerdings nicht nur EPUB, sondern auch gleich ein PDF dazu.

Kauft man solch ein Buch im App-Store, so bekommt man eine Stanza-basierte App (also nicht iPad-tauglich, weil im iPhone-Format und damit viel zu klein). Allerdings erläutert O’Reilly auf der eigenen Webseite, daß darin ein ganz normales EPUB steckt und erklärt auch gleich, wie man es mit Mac- oder Windows-Bordmitteln extrahieren kann. Dann steht man zwar wieder vor dem EPUB-Problem, aber man kann es ja entweder umwandeln oder eben auf iBooks warten.

Ich halte das iPad für ein wirklich hochinteressantes Gerät (nein, ich will meines keinesfalls hergeben); wer mit dem Gedanken spielt, sich eins zuzulegen, sollte sich aber zwei Dinge ganz unmißverständlich klar machen:

Erstens: Das iPad ist ein geschlossenes und hermetisch abgeriegeltes System. Wer nicht den “Apple-Weg” zu gehen bereit ist, beispielsweise, weil er meint, auf anderem Wege einfacher oder günstiger an Inhalte zu kommen, sollte es gleich sein lassen und auf die PC- und Android-basierte Konkurrenz warten.

Zweitens: Einige Euro sollte man unbedingt noch im Budget für die ein oder andere App einplanen. Ein iPad zu kaufen, dann aber keinen brauchbaren PDF-Reader dafür zu erwerben, klingt mir nach Geldverschwendung. Auch gibt es noch viele andere Apps, die interessant und/oder nützlich sind. Und die iPad-Apps sind, wie bereits gesagt, seltener kostenlos und häufig teurer als die “alten” iPhone-Apps. Man sollte jetzt in keine Shopping-Spree verfallen, aber zwanzig Euro sind da schnell mal ausgegeben. Nach oben ist natürlich alles offen, aber gerade jetzt am Anfang, wo es noch nicht übermäßig viele iPad-Apps gibt, wartet man besser im Zweifel noch etwas ab.

#Technik