Entdeckungsreisen

3:16 Bible Texts Illuminated

Die Bibel, das Buch der Bücher. Doch nur wenige Menschen, die nicht bereits tief gläubig sind oder ein wissenschaftliches Interesse an ihr haben, haben sie wirklich zum guten Teil gelesen. Einzelne Sentenzen aus ihr haben sich in unserer Kultur und unserer Umgangssprache festgesetzt, doch die Bibel schüchtert ob ihres schieren Umfanges auch ein. Selbst diejenigen, die eigentlich zugeben müssen, daß an sie wegen ihrer Bedeutung für die westliche Welt eigentlich gelesen haben sollte.

Wo nun also das komplette Durchlesen vom Tisch ist (und ich möchte davon niemanden abhalten, aber die Praxis zeigt doch, daß das nur für einen immer kleineren Teil der Bevölkerung interessant ist), wie sich der Bibel nähern?

Eine höchst unvollkommene, aber um so faszinierendere Möglichkeit ist das vorliegende Buch 3:16 Bible Texts Illuminated von Donald E. Knuth.

Professor Knuth ist der vielleicht berühmteste Informatiker, mit unzähligen profunden Beiträgen zu seinem Fach, wie auch zu verwandten Disziplinen. Und er ist gläubiger Christ.

Dieses Buch vollzieht die Methode nach, nach der er vor Jahren einen von ihm erstmals geleiteten Bibelkurs strukturiert hat.

Anstatt die Bibel komplett zu lesen, was den Leser dem originalen Ideenfluß aussetzt und ihm einen Eindruck zu geben vermag, wie die ersten Leser und Hörer der geheiligten Worte diese vernommen haben, wählte er einzelne Verse aus, um diese tiefergehend zu besprechen.

Soweit nichts besonderes, alleine der zeitliche Rahmen eines Bibelkurses erzwang dieses Vorgehen schon.

Doch er wählte nicht einfach seine Lieblingsverse, oder die bekanntesten Verse, oder die zentralen Verse der großen Bücher (beispielsweise der Evangelien) aus. Nein, er ließ den Zufall walten. Er machte zufällige Stichproben, wobei er jedoch eine Gruppierung von Versen (nämlich die Bücher) beachtete.

Die Bibel enthält in etwa dreißigtausend Verse. Eine Auswahl von sechzig daraus sollte einen interessanten und mehr oder minder repräsentativen Einblick in das Ganze erlauben. Sechzig völlig zufällig ausgewählte Verse wären schon nicht schlecht, aber sechzig Verse, je einer aus (fast) jedem Buch, ist noch besser, weil dadurch jedes Buch (und damit jeder Autor) garantiert vertreten ist.

Und wie der Titel schon sagt, die Wahl fiel auf Kapitel drei, Vers sechzehn eines jeden Buches (sozusagen mit dem bekannten solchen Vers in Johannes als Fundament), modulo einiger offensichtlicher Modifikationen der Regel für die Bücher, die zu kurze dritte Kapitel haben oder gar keine drei Kapitel haben. Insgesamt bleiben so neunundfünfzig Bücher.

Die Präsentation all dieser Bücher und ihres Verses 3:16 ist immer dieselbe auf jeweils vier Buchseiten:

Zunächst wird das Buch der Bibel beschrieben. Worum geht es? Was für eine Geschichte wird erzählt, wenn denn eine erzählt wird? In welcher Zeit spielt es? Wie waren die Umstände des Volkes Israel?

Dann folgt eine Seite, die ganz zentral ist: Der Vers 3:16 aus diesem Buch, kalligraphisch interpretiert von immer anderen Künstlern. Diese Kalligraphien sind wunderschön und werden auf einem Poster zusammengefaßt auch einzeln verkauft.

Die dritte und die vierte Seite (als Doppelseite) wiederholen den Vers noch einmal am Rand in optisch herausgehobener, aber traditionell gestalteter Form und beinhalten Knuths Gedanken und Ansichten zu diesem Vers. Dies ist also der Interpretationsteil.

Meine Bewertung: Lesenswert. Aber vor allem betrachtenswert.

Knuth ist bestenfalls Hobby-Theologe, auch wenn er viel Zeit in Bibliotheken verbracht hat, besondere Erkenntnisse theologischer Natur dürfen also nicht erwartet werden. Dennoch gelingt es ihm sehr schön, Verständnis für die damaligen Verhältnisse zu wecken und die biblischen Geschehnisse in einen geschichtlichen Rahmen zu rücken.

Die Kalligraphien sind der eigentliche Höhepunkt des Buches. Und die unorthodoxe Herangehensweise an die Bibel lenkt das Augenmerk auf Verse, die sonst kaum Beachtung fänden.

#Buch